Jetzt wird es aber auch Zeit, dass ich zeige, wie es bei den Wetterquilts für 1950 und 2020 weitergeht.
Zuerst die beiden Monate
Man kann deutlich erkennen, es ist 2020 mehr Gelb vertreten. Der März 2020 war also wärmer als der März 1950. Und wie sieht es aus, wenn es zusammengenäht ist? Bitteschön! Zuerst das Jahr 1950.
Und nun das Jahr 2020
Insgesamt sieht es nicht so dramatisch aus. Das mag aber mit Sicherheit auch daran liegen, dass wir 1950 einen relativ milden Jahresanfang hatten. Ich kann mich da an ganz andere Jahre erinnern. Natürlich habe ich wieder in der Erinnerungskiste gekramt. Das gehört für mich einfach bei diesem Projekt dazu. Wie gesagt, das sind meine Erinnerungen. So habe ich es erlebt. Es betrifft nicht immer das Jahr 1950. Es sind Erinnerungen an meine Kindheit.
Im März wurde schon mit der Gartenarbeit begonnen. Es wurde alles umgegraben. Mit der Hand und mit einem Spaten. Eine mühevolle Arbeit. Die Beete wurden abgesteckt. Für die Gartenarbeit unerläßlich waren Holzschuhe. Ich persönlich konnte mich damit nicht anfreunden.
Und es gab besondere Feste.
In unserer Gegend waren die meisten Einwohner evangelisch. Und im März stand ein besonderes Ereignis an. Es wurde die Konfirmatione gefeiert. Das geschah nach der 8. Klasse. Damit war für die meisten Jugendlichen auch der Schulbesuch zu Ende, denn normalerweise wurde zu der Zeit die Hauptschule besucht. Und nach der achten Klasse hieß es, hinaus in das Leben, ein Beruf wurde erlernt. Beginn des Lehrjahres war der 1. April.
Natürlich gab es in unserer kleinen Stadt auch eine Mittelschule (heute Realschule), ein Gymnasium und ein Lyzeum. Das Gymnasium wurde von den Jungen besucht, das Lyzeum von den Mädchen. Vor dem Besuch dieser 3 Schulen mußte damals erst eine Prüfung abgelegt werden und für die Eltern der angenommenen Schüler wurde es in der ersten Hälfte der 50-er Jahre teuer. Neben den Schulbüchern und dem üblichen Schulmaterial musste ein Schulgeld für die weiterführenden Schulen bezahlt werden. Das Schulgeld für die Mittelschule betrug 25 DM monatlich und für Gymnasium und Lyzeum mussten je Schüler 40 DM bezahlt werden. Und jede Schule hatte auch Vorschriften was die Kleidung für den Sportunterricht anbetraf. Die Ausgaben kamen dann also auch noch hinzu.
Wenige Monate nachdem ich auf der Mittelschule war (das war die 5. Klasse) wurde das Schulgeld abgeschafft. Und ich hatte Glück, dass ich überhaupt die Mittelschule besuchen durfte. Meine Eltern waren eigentlich der Meinung, Hauptschule reicht. Ein Mädchen heiratet ja doch. Sie hatten nicht mit der Hartnäckigkeit meines Lehrers B. gerechnet, der unangemeldet bei meinen Eltern erschien und sie zum Umdenken veranlasste. Ich bin ihm bis heute sehr dankbar.
Ende der 50-er Jahre bin ich konfirmiert worden. Wenn ich mich richtig erinnere, war es der 08. März 1959. Ein Sonntag. Gefeiert wurde es bei uns im Haus. Eine Feier in einem Gasthaus? Das stand bei uns nicht zur Debatte.
Das Haus wurde geputzt, Lebensmittel wurden gekauft und ganz wichtig: ein Termin mit der Kochfrau musste rechtzeitig vereinbart werden. Kochfrauen waren Hausfrauen, die gut und gerne kochten und sich so etwas zu den damals noch sehr niedrigen Einkommen dazu verdienten. Geholfen haben dann auch noch Nachbarn oder Bekannte. Es gab ja viel zu tun. Das Essen musste aufgetragen werden, das gesamte Geschirr wurde mit der Hand abgewaschen und wie häufig klingelte es an der Haustür, weil nette Leute eine Karte oder ein Geschenk abgeben wollten. Irgendwie war es damals selbstverständlich, dass man sich gegenseitig half. Meist musste man auch nicht darum bitten, die Hilfe wurde oft angeboten.
Konfirmiert wurde ich im Dom. Gut 30 Minuten Wegstrecke. Das ging man zu Fuß. Wie die meisten, hatten wir zu der Zeit kein Auto.
Die Konfirmandinnen trugen schwarze Kleider, die Jungen bekamen zu dem Fest ihre ersten Anzüge. Leider habe ich kein Konfirmationsfoto von mir gefunden.
Von den Eltern bekam man ein Gesangbuch. Mein Gesangbuch war in Leder gebunden und hatte einen Goldschnitt.
Dazu gehörte ein weißes Tüchlein. Meist war es ein Taschentuch mit weißer Spitze, dass mehr oder weniger kunstvoll drapiert wurde und dazu ein Zweig Maiglöckchen. Maiglöckchen habe ich jetzt nicht gefunden. Als Ersatz gibt es für das Foto etwas Buchsbaum. Nach dem Gottesdienst gab es dann das Essen. Und gemessen an den heutigen Speisen war das relativ bescheiden. Aber für uns war es ein Fest! Zuerst gab es die sogenannte Hochzeitssuppe. Am Vortag wurden dafür schon Unmengen von kleinen Mettbällchen gedreht und Eierstich zubereitet. Das Hauptgericht bestand aus Schweinebraten, Erbsen und Wurzeln als Gemüse, Bohnensalat und Kartoffeln. Als Nachspeise (damals kannte ich das Wort Dessert noch nicht) gab es Vanillepudding mit Erdbeeren, die im Vorjahr eingekocht worden waren und Schokoladenpudding mit Vanillesoße. Die eingekochten Erdbeeren waren nicht mein Ding, die sahen nicht lecker rot aus sondern grau. Bei selbstgekochter Erdbeermarmelade ist das ähnlich. Nach einiger Zeit sieht sie grau aus.
Am Nachmittag gab es Kuchen. Keine Kunstwerke, es gab Bisquitboden mit Obst belegt. Das Obst kam meist aus der Dose. Ananas, Mandarinen und dazu vielleicht frische Weintrauben oder Banane. Und das Ganze mit viel Schlagsahne.
Ach ja, fast vergessen hätte ich jetzt Omas Butterkremtorte. Dazu wurde ein Bisquitboden gebacken (übrigens: Oma schlug das Eiweiß mit einer Gabel steif!). Die Butterkrem bestand aus Vanillepudding der mit Butter aufgeschlagen wurde, die Füllung bestand aus eingekochten Stachelbeeren. Bestreut wurde die Butterkremtorte mit "Krokant". Nur bei uns wurde das nicht aus Mandeln gemacht, sondern aus Haferflocken. Mandeln waren teuer! Ich fand es damals total lecker! Auch wenn es keine Mandeln waren.
Was nicht fehlen durfte, war ein Butterkuchen. Wenn ein Fest anstand, dann wurden davon auch größere Mengen gebraucht. Das Blech im heimischen Backofen war zu klein. Aber es gab eine Lösung. Man konnte den Teig zum Bäcker bringen, es dort selbst auf einem seiner Bleche ausrollen. Dann belegte man es mit Butter, die man selbstverständlich mitgebracht hatte und bestreute es mit Zucker. Auch mitgebracht natürlich. In eine Ecke des Teiges wurde ein Namenszettel gesteckt und der Bäcker schob diese Bleche dann in den Ofen, nachdem das Brot gebacken war. Ich habe keine Ahnung, was man damals dafür bezahlen musste, aber ich denke, es war ein kleiner Betrag.
Was waren diese Kaffeestunden gemütlich. Und das Kaffeeservice von damals besitze ich noch. Erstaunlich, dass noch alles erhalten ist. Schließlich haben meine Großeltern es 1939 zu ihrer Silberhochzeit angeschafft. 1 Kaffeekanne, 1 Teekanne, Milchkännchen und Zuckerdose, 12 Gedecke und 2 Kuchenplatten habe ich. Für mich ist es ein besonderes Service, auch wenn es keine Kostbarkeit ist. Für das Foto habe ich es mal auf eine alte Kommode gestellt, auch noch eine Erinnerung.
Geschenke? Ja klar, Geschenke gab es auch. Die Nachbarn schickten ihre Kinder vorbei, die Karten, Blumen oder Geschenke abgeben sollten. Und die Überbringer durften sich dann ein Stück Butterkuchen nehmen. Das erklärt, warum große Mengen an Butterkuchen erforderlich waren. Damals war das sehr begehrt, ich weiß nicht, ob man heute noch jemanden damit erfreuen könnte.Was gab es nun? Erstmal jede Menge Karten, über die man sich auch wirklich gefreut hat. Da hat doch jemand an dich gedacht, gratuliert dir zur Konfirmation und wünscht dir Glück, wie wunderbar. Und dann gab es Blumen. Jede Menge Blumen. Auf den Fensterbänken war kein Platz mehr frei. Alpenveilchen, Azaleen und eine Blume, die meine Oma immer Läuseblume nannte.
Ich habe z.B. gehäkelte Einsätze für Kopfkissen bekommen. Auf Geheiß meiner Mutter habe ich die dann nach der Konfirmation zu einer Weißnäherin gebracht, die Kopfkissenbezüge für meine Aussteuer genäht hat. Aussteuer, ja, das war so ein Thema. Ich habe Geschirrtücher bekommen, Handtücher und Besteckteile aus Silber. An Zuckerlöffeln, Zuckerzangen, Sahnelöffeln usw. besteht in meinem Haushalt kein Mangel. Geld gab es nicht, ich kann mich wenigstens nicht daran erinnern. Aber ich durfte mich über einige Bücher freuen. Storms Werke, Schillers Werke usw. Für mich als damalige Leseratte ein ganz wunderbares Geschenk.
Als kleines Beispiel seht ihr hier Storms Werke, einen der Zuckerlöffel und einen Kopfkissenbezug. Das Muster vom Zuckerlöffel, die "Hildesheimer Rose" war besonders beliebt. Dieser Kopfkissenbezug wurde noch nie benutzt. Das liegt daran, dass er keine normale Knopfleiste besitze. Auf beiden Seiten gibt es Knopflöcher. Und die Doppelknöpfe dazu passend habe ich bis heute nicht.Für mich war nach der Konfirmation nicht gleichzeitig das Ende der Schulzeit, ich habe anschließend noch weitere zwei Jahre die Mittelschule besucht und mit Erfolg abgeschlossen.
Genug für heute. Mit dem April Wetterquilt geht es weiter mit meinen Erinnerungen.